Das letzte Fenster ins Weltall: Gravitationsstrahlen
Die Astronomische Gesellschaft tagt in Tübingen

Vom 16. bis 21. September findet in Tübingen im Hörsaalzentrum der Morgenstelle die 70. Herbsttagung der Astronomischen Gesellschaft statt.

Das Thema der Tagung 'Gravitation' gilt als besonders spannendes und aktuelles Gebiet der Astronomie, da das Sichtbarmachen der Gravitationsstrahlen das letzte der Menschheit noch verschlossene Fenster ins Weltall darstellt. Es geht um den Blick in sogenannte dunkle, d. h. hochkomprimierte Materie. Diese entsteht beispielsweise, wenn zwei Neutronensterne von etwa 20 km Durchmesser und jeweils 1,5 Sonnenmassen dicht beieinanderstehen und sich etwa 100 mal in der Sekunde umkreisen. Die dabei entstehende Störung des Raum-Zeit-Systems, die bisher nur theoretisch erschlossen ist, hofft man durch den Bau großer Gravitationsdetektoren in Kürze sichtbar zu machen. Mit Hilfe großer, senkrecht aufeinander gerichteter Laserstrahlen wird eine Auflösung erreicht, mit der man auf der Entfernung Erde-Sonne ein Atom sichtbar machen kann.

Prof. Dr. Kip Thorne, dem auf der Tagung die Schwarzschild-Medaille verliehen wird, baut einen derartigen Detektor mit Armen von 4 x 4 km. Ein etwas kleineres Experiment wird der Astronom Prof. Dr. Karsten Danzmann mit 600 m-Armen machen. Er berichtet darüber in einem öffentlichen Vortrag unter dem Titel Gravitationswellen - Das Universum mit anderen Augen gesehen, zu dem am Donnerstag, dem 19. September, 20.15 Uhr in Audimax der Neuen Aula auch die Öffentlichkeit eingeladen ist. Die Vortragsveranstaltung wird umrahmt von Außenprojektionen auf die Front der Neuen Aula. Vor dem Vortrag sind Kepler, Newton und Einstein, die bedeutendsten Gravitationsforscher, zu sehen. Nach dem Vortrag werden faszinierende Fotos, die mit dem Hubble-Space-Teleskop aufgenommen wurden, gezeigt. Einen Leckerbissen besonderer Art bietet die die Tagung begleitenden Lehrerfortbildung. Hier wird unter anderem der weltweit erste Planetenlehrpfad fuer Blinde vorgestellt, der in Marburg entwickelt wurde.

Zur Geschichte der Astronomie in Tübingen

Die Tübinger Universität hat für die Fortschritte innerhalb der astronomischen Wissenschaft eine wichtige Rolle gespielt. Einer der ersten großen Forscher war der Pfarrer Johannes Stöffler (1432 - 1531). Ihm gelang es, Tabellen des täglichen Standes von Sonne, Mond und Planeten, sogenannte Ephemeriden, auf 20 Jahre zu berechnen. Daneben hat sich Stöffler mit der experimentellen Seite der Astronomie befaßt und einen Himmelglobus geschaffen, der heute noch im Germanischen Museum in Nürnberg zu besichtigen ist. Ein weiterer Tübinger Astronom war Michael Mästlin (1550 - 1631). Der Lehrer Keplers fand heraus, dass ein bestimmter Komet nicht um die Erde, sondern um die Sonne kreiste. Mit einfachen Mitteln gelang es Mästlin, die Kometenbahn bestimmen. Doch der wohl bekannteste Forscher war sein Schüler, der berühmte Stiftler Johannes Kepler. 1596 veröffentlichte dieser in der Neckarstadt sein erstes Werk, das Mysterium Cosmographicum.

Die erste Sternwarte in Tübingen wurde 1752 unter der Leitung von Johann George Krafft auf dem nordöstlichen Eckturm des Schlosses erbaut. Auch seine Nachfolger entwickelten für die Untersuchung der Gestirne wichtige Instrumente - das Revisionspendel hat Johann Gottlieb Bohnenberger entworfen, Johann Gottlieb Norrembergs Polarisationsapparat entstand ebenfalls im 19. Jahrhundert. Unter Heinrich Siedentopf wurden in den 60er Jahren unseres Jahrhunderts Mess- und Verstärkungsgeräte entwickelt, die die schwachen Signale überhaupt erst zugänglich machten, aus denen sich die physikalischen Vorgänge im Weltraum erschließen lassen. Mit der Beteiligung Siedentopfs an der Planung der Europäischen Südsternwarte in Chile hat Tübingen den Anschluss an die internationale Astronomie und Astrophysik wieder geschafft.

Einen astronomischen Schatz besonderer Art birgt die Ägyptologische Sammlung der Universität Tübingen. Hier befindet sich einer von weltweit zehn Särgen, denen die alten Ägypter Verzeichnisse über den Aufgang der Fixsterne beigegeben hatten. Aufgrund dieser Listen koennen Archäologen heute das Alter der Särge bestimmen.

Nachfragen:

Institut für Astronomie und Astrophysik
Auf der Morgenstelle 10
72076 Tübingen
Tagungstel.: 29-77575
Institutstel.: 29-72487
Fax: 29-5889
Email: ruder@tat.physik.uni.tuebingen.de(ruder@tat.physik.uni.tuebingen.de)

Die Homepage der AG ist http://www.astro.uni-jena.de/Astron_Ges/ag0home.html

Ein ausführlicher Text zur Geschichte der Astronomie in Tübingen kann beim Presseamt angefordert werden.

Presse MAIL (michael.seifert@uni-tuebingen.de)

Presseamts-Info@www.uni-tuebingen.de(dezelski@uni-tuebingen.de) - Stand: 19.09.96 Copyright